Materialistischer Antirassismus

Gemeinsam mit der Sozialistischen Perspektive haben wir einen inhaltlichen Beitrag zu Antirassismus erarbeitet

Warum eigentlich Materialistischer Antirassismus?

Viele von uns haben sich schon wahrscheinlich folgende Fragen gestellt: Warum sind eigentlich überwiegend migrantische Menschen in schlechten Arbeitsverhältnissen oder niedrigem Lohn überrepräsentiert? Wie erklärt sich der anhaltende Rassismus in Deutschland? Wie hängen diese Fragen miteinander zusammen? Auf diese Fragen werden wir im Rahmen dieses Beitrags eingehen. Dafür ist es zunächst einmal wichtig, sich die historische Entstehung von Rassismus anzuschauen, um die aufgeworfenen Fragen genügend beantworten zu können. Historisch betrachtet ging der Rassismus aus den historischen Bedingungen des Kapitalismus hervor. Als Folge des Sklavenhandels im 15. Jahrhundert resultierte der Rassismus als Ideologie und erlaubte die Überausbeitung der afrikanischen Bevölkerung durch Zwangsarbeit sowie den Raub ihrer Ressourcen. Der Sklavenhandel und der Kolonialismus waren eine Voraussetzung für die Entwicklung des Kapitalismus. Die Sklaverei konnte nur entstehen, weil Europa bereits den Weg zum Kapitalismus eingeschlagen hatte. Die jahrhundertelange Versklavung führte zur Entstehung der Ideologie des Rassismus, die die Überlegenheit bestimmter Menschengruppen aufgrund äußerlicher Merkmale wie Hautfarbe behauptete. Dadurch wurde die Überausbeutung dieser Menschen gerechtfertigt.

Materialismus

Um den Rassismus als Ideologie verstehen zu können, ist es wichtig, dass wir uns den Materialismus anschauen. Wir möchten eine möglichst einfache Erklärung liefern, ohne dabei inhaltiche Kompromisse einzugehen. Materialismus im philosophischen Verständnis ist nach Karl Marx und Friedrich Engels die Auffassung, dass Ideen Widerspiegelungen der materiellen Verhältnisse sind. Vereinfacht gesagt: Ideen sind nicht etwas Eigenständiges, sondern spiegeln Dinge in der Welt wieder. Unsere materiellen Lebensumstände beeinflussen unser Bewusstsein, während die Materie die Grundlage für Gedanken bildet, einschließlich unseres Gehirns. Wenn wir über Rassismus nachdenken, entsteht dieser also nicht einfach aus einer Idee, sondern resultiert aus den Lebensverhältnissen, ökonomischen Bedingungen und den gesellschaftlichen Verhältnissen der Menschen zueinander. Diese Verhältnisse müssen wir hinterfragen und auf dieser Grundlage verändern. Somit können wiederum auch Ideen unsere Welt beeinflussen. Dieses Wechselverhältnis bezeichnen wir als Dialektischen Materialismus.

Rassismus heute

Fortbestehender Rassismus erlaubt die anhaltende Überausbeutung von Menschengruppen durch niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und Ausnutzung von (Neo-)Kolonien für Rohstoffe. Rassismus sollte als dynamisches System verstanden werden, das sich je nach Umständen anpassen und wandeln kann. So waren z. B. die Iren selbst Kolonisierte und zählten nicht als „Weiße“. Hier wird deutlich, wie sehr Rassismus mit dem gesellschaftlichen Status der rassifizierten Gruppen zusammenhängt. In Deutschland wurden möglichst billige Arbeitskräfte aus dem “Ausland” als Gastarbeiter*innen angeworben. Ziel war es, diese Arbeitskraft auszunutzen, um die Lohnarbeit schlechter zu bezahlen, Arbeitszeiten zu verlängern und damit den Gewinn der Unternehmen zu maximieren. Die Arbeiter*innen sollten danach wieder zurückkehren, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Gastarbeiter*innen wurden in schimmelnden, schmutzigen Wohnungen zusammen-gepfercht und es resultierten rassistische Neuzuschreibungen. Auch heute lässt sich der Rassismus am Umgang mit rumänischen Arbeiter*innen am Beispiel Tönnies feststellen. So berichten viele Arbeiter*innen von einer unsicheren Arbeits- und Wohnungssituation in der Fleischfabrik Tönnies. Sie haben einen geringeren Lohn erhalten als vereinbart und mussten dabei Schwerstarbeit leisten. Die Benachteiligung wegen des kapitalistischen Profitsystems führt paradoxerweise zu einer neuen Grundlage für Rassismus und Abwertung.

Kultureller Rassismus

In den letzten Jahrzehnten hat sich laut Étienne Balibar der Rassismus verändert. Früher wurden Menschen vor allem aufgrund ihrer biologischen Merkmale diskriminiert. Heute richtet sich die Diskriminierung auch gegen Menschen aufgrund ihrer kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit. Diese gilt dann als nicht vereinbar mit “westlichen Werten und Normen”. Kulturrassismus ist stark verbreitet in Deutschland, sowie in anderen Teilen Europas und Nordamerikas. Wir lehnen einen bürgerlich-liberalen Antirassismus ab, welcher Rassismus primär als eine moralisch falsche Art zu denken begreift, anstatt an der Wurzel – nämlich den ökonomischen Verhältnissen – anzusetzen. 

Daher kämpfen wir

Eine dauerhafte Lösung ist im kapitalistischen System nicht möglich. Wir setzen uns für ein System ein, indem die ökonomische Grundlage für Rassismus entzogen wird: den Sozialismus. Doch der Sozialismus kommt nicht von allein. Um ihn zu erkämpfen müssen sich alle Arbeiter*innen zusammenschliessen. Materialistischer Antirassismus heißt für uns: 
Gemeinsam gegen Rassismus!
Gemeinsam für Sozialismus!
Quellen:
Sarbo, B. und Mendívil, E.R. 2022 „Die Diversität der Ausbeutung: zur Kritik des herrschenden Antirassismus“, Karl Dietz Verlag, Berlin
Balibar, E und Wallerstein, I. 1991 „Race, Nation, Class – Ambigous Identities“, Verso, London, Editions La Decouverte
Engels, F. (1967). Karl Marx Friedrich Engels. Ausgewählte Schriften in zwei Bänden, Berlin, [East]: Dietz, 1960