Das antikommunistische Massaker in Indonesien vor 60 Jahren

Dieser Text ist in Kooperation mit der Antifa Jugend Göttingen und dem BIPoC-Kollektiv-Göttingen entstanden und ist bei ihnen auch auf der Website zu finden. Wir laden euch am 21.11.2025 um 17 Uhr  in der OM10 ein, zu einem Vortrag über die antikommunistischen Massaker in Indonesien, mit anschließender Vorführung eines kurzen Dokumentarfilms und einem Zeitzeugenbericht.


Fragt man nach der revolutionären Geschichte des 20. Jahrhunderts, dann werden meist Ereignisse wie die Oktoberrevolution 1917 in Russland oder die Revolution 1949 in China erwähnt. Zurecht, da diese zu einem gewaltigen gesellschaftlichen Wandel geführt haben und viele Ideen aus der Zeit die revolutionäre Bewegung bis heute prägen. Leider wird hier häufig die kommunistische Partei Indonesiens (PKI) vergessen, welche bereits 1914 gegründet wurde und zeitweise eine der größten revolutionären Organisationen weltweit war.

Sie prägte im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts enorm Indonesien und die Kommunistische Internationale (Komintern), der sie 1920 beitrat. Somit war auch die kommunistische Partei Indonesiens die erste KP Asiens außerhalb der Sowjetunion und nahm so auch einer avantgardistische Rolle innerhalb der kommunistischen Bewegung ein. In den Folgejahren wurden immer größere Massen, besonders Arbeiter, Bauern und Studenten in der PKI organisiert.

Das heutige Indonesien war seit dem 16. Jahrhundert von verschiedenen Mächten besetzt. Zuerst von ab 1602 Teil der niederländischen Handelsgesellschaft und schließlich von 1800 bis 1942 bekannt als Niederländisch-Ostindien. Dies sorgte auch für einen starken antiimperialistischen Charakter der PKI, die 1926/27 versuchte das Besatzungsregime zu stürzen, jedoch leider scheiterte. Die Folge war ein Verbot der Partei und die Flucht bzw. Verhaftung mehrerer Mitglieder. Doch dies konnte die kommunistische Bewegung in Indonesien und ihrer Partei nicht auf längere Sicht zerschlagen. So existierte die PKI im Untergrund und im Ausland weiter und organisierte auch in anderen Bewegungen den Widerstand gegen die japanische Besatzung, welche von 1942 bis 1945 andauerte und enorm gegen kommunistische Kräfte vorging.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging auch die japanische Besatzung in Indonesien zu Ende und das Land war zum ersten Mal formal unabhängig. In dieser Situation trat die PKI zum ersten Mal wieder öffentlich auf und beteiligte sich am Unabhängigkeitskrieg gegen die Niederlande, die erneut versuchten, Indonesien zu besetzen. Dadurch wuchs die Unterstützung der PKI in den nächsten Jahren enorm an. Sie organisierte breite Teile des Volkes in verschiedenen Massenorganisationen wie Jugendbewegungen oder Gewerkschaften und wurde so bei den Wahlen 1955 mit 16 % die viertstärkste Partei des Landes.

In den nächsten Jahren war die PKI sogar an der Regierung beteiligt und versuchte unter Präsident Sukarno eine Volksfront bzw. unter der Doktrin „Nasakom“ – ein Gleichgewicht zwischen Religion, Nationalismus, vertreten durch die Armee, und Kommunismus – zu schaffen. Ein taktisches Bündnis, welches die PKI im Staat legitimierte, aber auch zum Vorteil von Konterrevolutionären und Reaktionären war, was die nächsten Jahre zeigten.

Bis 1965 wuchs die Partei auf über 3 Millionen Mitglieder und bis zu 20 Millionen Unterstützer aus besonders den ländlichen Teilen Indonesiens an. So wurde die Möglichkeit eines tatsächlichen revolutionären Umsturzes immer größer, was auch eine Sorge kapitalistischer Staaten wie den USA, Großbritannien oder auch der BRD war.

So kam die „Bewegung des 30. September“ als Legitimation gerade gelegen, oder wurde diese selbst von ausländischen Geheimdiensten durchgeführt? Bis heute ist nämlich einiges über die Ereignisse am 30. September 1965 in Indonesien nicht klar, aber über die Folgen umso mehr. Bekannt ist, dass sechs hochrangige und rechtsgerichtete Generäle des indonesischen Militärs in der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober entführt und später tot aufgefunden wurden.

Infolge der 30. September-Bewegung übernahm der antikommunistische General Suharto das Amt des Präsidenten und es kam zu einem Militärputsch. Laut Suharto war hierfür die PKI für die 30. September-Bewegung verantwortlich, welche einen Putsch planen würden.

Bis heute und schon gar nicht damals lässt sich dies bestätigen, was Suharto trotzdem nicht von gewaltigen Repressionen abhielt. Infolgedessen wurde die PKI verboten, massive antikommunistische Propaganda betrieben und die Indonesische Staat wurde unter der Losung des Westens immer autoritärer. Doch wahrscheinlich die brutalste Folge war ein regelrechtes Massaker gegen die Mitglieder der kommunistischen Partei Indonesiens von 1965 bis 1967. In dieser Zeit wurden über 1 Million Genoss:innen umgebracht. An der Planung des Massakers waren maßgeblich verschiedenste Geheimdienste des Westens wie CIA, MI6 oder BND beteiligt.

Die deutsche Mittäterschaft

Erst kürzlich, im Jahr 2022, als die Bundesregierung zu den Ereignissen befragt wurde, äußerte sie sich äußerst verhalten oder überhaupt nicht dazu, inwieweit die BRD in materieller, informativer oder personeller Hinsicht verstrickt war. Die Antwort fiel äußerst verhalten oder ausweichend aus. Entweder hieß es, es lasse sich schwer feststellen, inwieweit die Bundesregierung Kenntnis von den Vorgängen hatte, oder man verwies unmittelbar darauf, dass die Klärung dieser Fragen Aufgabe der historischen Forschung sei. Eine direkte Antwort wurde konsequent vermieden.

Die Auswertung mehrerer Archivberichte des Auswärtigen Amtes der letzten Jahre zeigt jedoch, dass nicht nur die CIA oder MI6 maßgeblich beteiligt waren, dass es zu den Massakern zwischen 1965 und 1967 in dem Ausmaß kam, sondern eben auch durch den BND. Entgegen der Äußerungen der Bundesregierung kann es klar aus den Archivberichten vom Jahr 1965 herausgelesen werden, dass der Draht zwischen den antikommunistischen Fronten in Indonesien und der BRD sehr eng war und auch sehr klar über die Geschehnisse der gezielten Massaker informiert waren. Daraufhin wurde sämtliche Hilfe für eine antikommunistische Verfolgung zu unterstützen von Geldern, Waffen, Sprengstoff, Booten und einiges mehr, über die Jahre hochgefahren. Zudem stellte sie in Aussicht, zusätzliche wirtschaftliche Unterstützung zu gewähren, sofern der antikommunistische Kurs fortgesetzt werde. All das liest sich in den Berichten als erfreuliche Entwicklung im globalen Kampf gegen den Kommunismus.

All das hat aber nicht erst am 1. Oktober 1965 begonnen, sondern die Vorbereitungen liefen schon lange zuvor für die Bundesrepublik Deutschland. Schon 1963, im Jahr von Sukarnos Wahl zum lebenslangen Präsidenten der KPI, begann der BND damit, indonesische hochrangige Militärs auf deutschen Boden auszubilden. Das oft genutzte Argument, dass der deutsche Staat nichts erahnen hätte können, was genau jene Trupps vorhatten, lässt sich wie so oft schnell entkräften. Sie standen in regem Austausch mit dem indonesischen Geheimdienst, der sie regelmäßig auf dem Laufenden hielt. So meldete am 8. Januar 1965 Generalmajor Ibrahim Adjie dem Verteidigungsministerium beiläufig, er habe 1.400 kommunistische Plantagenarbeiter „vorsorglich und versuchsweise“ verhaften lassen, um die Reaktion der KPI zu testen. Da keine Reaktion erfolgte, konnten 400 der Inhaftierten freigelassen werden; die übrigen wurden „begraben”.

Doch warum all das? Welches Interesse hatte die BRD und was versprach sie sich durch die Involvierung? 

Ein Dokument vom 17. August 1965 belegt, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits 1965 über 22 Industriekonzessionen, 18 Handelskonzessionen und zwei Transportkonzessionen verfügte – sie exportierte Kapital, um billige Rohstoffe und Arbeitskräfte zu erwerben. 

Es lässt sich nicht bestreiten, dass es neben einem wirtschaftlichen Interesse auch ein politisches Anliegen gab. Das beweist ein Dokument vom 7. Januar 1965, in dem es heißt: „Indonesien gelte als Barriere oder Sprungbrett des Kommunismus nach Australien. Unser nationales Interesse, unsere Präsenz in Indonesien zu wahren, erfordere Opfer finanzieller Natur, denen allerdings Grenzen gesetzt seien. Indonesien sei ein entscheidender Testfall.“

Als es zum 30. September kam und ab dem 1. Oktober die Machtübernahme der Putschisten unter Suharto vollzogen wurde, wurde sofort ein Verbot der KPI erlassen. Es begann die genozidale Verfolgung der Kommunist*innen im gesamten Land. In den folgenden Jahren wurde diese Verfolgung mit jeglicher Unterstützung, angeführt durch die CIA, fortgesetzt. Die CIA gab dem indonesischen Geheimdienst Listen mit Namen von Personen, die aus ihrer Sicht zu töten seien. Auch beim BND trafen in den folgenden Wochen Berichte ein, die von tödlicher Gewalt berichteten. Im November hieß es schon das „Abschlachten von Kommunisten“ und im Dezember, dass es mindestens „128.000 Tote und vermutlich mehrere Hunderttausend Inhaftierte“ gab. Zeitgleich standen die Diplomaten in Kontakt mit den Militärs und verhandelten wirtschaftliche Hilfen.  Von Oktober 1965 und den frühen 1970er steckte die Junta führende Personen, Mitglieder und Sympathisierende der PKI in ein Konzentrationslager und ermordete sie. Insgesamt wurden über eine Millionen Menschen ermordet, was einem Völkermord gleichkommt, aber der Weltöffentlichkeit ist es weitgehend unbekannt geblieben.

Unter Suharto war das indonesische Regime über Jahrzehnte enger Verbündeter der Bundesrepublik. Gestützt durch Waffenlieferungen und Wirtschaftskrediten. General Suharto galt noch Kanzler Helmut Kohl als „treuer Freund Deutschlands“

Der Beginn der Jahrelangen Massaker jährt sich nun zum 60. Mal und bis heute wurde niemand für die Verbrechen belangt und vollzogene Strafprozesse gab es auch nie.  Noch immer kämpfen Menschenrechtsgruppen für die Aufarbeitung.

Die PKI sowie jegliche kommunistische Symbole sind bis heute in Indonesien verboten.

Es bleibt an uns, den Genoss*innen zu gedenken und uns der Gefahr von imperialistischen Staaten im Kampf gegen die kommunistischen Bewegung bewusst zu machen. Der deutsche Staat bemüht sich nicht nur im Inneren gegen den Klassenkampf, sondern wir sehen, dass dieser auch international Massaker unterstützt. Diese Komplizenschaft bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit darf nicht in Vergessenheit geraten oder ungesühnt bleiben. Doch ihre Brutalität offenbart auch ihre Schwäche – sie fürchten die Macht der organisierten Massen.

Darum bleibt  es notwendig sich dagegen zu wehren und gemeinsam zu kämpfen, denn es ist unsere historische Pflicht. Jeder Tag ohne Widerstand ist ein Verrat an den gefallenen Genoss*innen von Indonesien bis Deutschland. Nur durch konsequenten internationalen Klassenkampf werden wir eine Welt erkämpfen, in der solche Massaker der Vergangenheit angehören. Die Revolution lässt sich nicht ermorden – sie lebt in unserem Kampf weiter!


Quellen:

DIP – Rolle der Bundesrepublik Deutschland bei den Massakern in Indonesien ab 1965. (o. J.). von https://dip.bundestag.de/vorgang/rolle-der-bundesrepublik-deutschland-bei-den-massakern-in-indonesien-ab/295579

Deutchland deckte blutigen Militärputsch. (2017, Oktober 27). t-online. https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/aussenpolitik/id_82562848/deutschland-deckte-militaerputsch-in-indonesien.html

Der Genozid und Deutschlands heimliche Hilfe. (2020, Juli 13). t-online. https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/krisen/id_86930860/genozid-in-indonesien-deutschlands-heimliche-hilfe.html

Indonesia’s 1965 Genocide: Germany’s Unknown War Against Communism—Redfish. (o. J.). von https://web.archive.org/web/20221130111919/https://redfish.media/blog/indonesias-1965-genocide-germanys-unknown-war-against-communism//